„Giorno e Notte“, Blockflötenkonzerte von Antonio Vivaldi
Conrad Steinmann, einer der profiliertesten Blockflötisten der Gegenwart, nahm sich – ausgehend von eher theoretischen Überlegungen – einiger Flötenkonzerte des Italieners an. Wie der Musiker im Booklet schreibt, wurde er zu seiner eigenwilligen Auseinandersetzung mit einigen Flötenwerken Vivaldis durch einen Traktat des Italieners Bartololemo Bismantova (1667) angeregt, in dem unter anderem ausführlich auf die Familie der Blockflöten eingegangen wird, eine Seltenheit, bedenkt man die im Allgemeinen gefallene Bedeutung der Blockflöte im Frühbarock. Die Rede war in diesem ‘Compendio Musicale’ nicht nur von einem ‘flauto italiano’, einer dreiteiligen Flöte (im traditionellen Stimmton g´), sondern auch von einer Flöte, die auf d´ gestimmt ist. Basierend auf der Vermutung, Vivaldi habe möglicherweise ganz unterschiedlich gestimmte Blockflöten im Sinne (und zur Verfügung) gehabt, machte sich Steinmann nun daran, einige Werke Vivaldis auf verschiedenen Instrumenten einzuspielen. Welch unterschiedliche Klangresultate dabei herauskommen, kann man auf dieser CD wunderbar hören. Unterstützt wird der versierte Flötist von zwei Violinen, Bratsche und Generalbassabteilung (Kontrabass, Laute und Cembalo).
Von Freude durchdrungen
Hört man nun die ersten Sekunden dieser Einspielung, so könnte man vermuten, ein Werk Mauricio Kagels habe sich auf diese CD verirrt. Denn Steinmann und seine Begleiter nehmen sich die Freiheit, einfach mal munter drauflos zu improvisieren. Da werden Klänge, kleine Spielfiguren einfach ausprobiert. Und kaum wundert man sich über diesen eigenartigen Beginn, so kommt schon die wunderbare Klangvielfalt des a‑Moll-Concertos (RV 108) zur Geltung. Gleich nach den ersten Takten ist klar, dass diese Aufnahme an Transparenz, Spielfreude und Verve kaum zu überbieten ist. Steinmann macht jede Kapriole Vivaldis zu einem wahren Vergnügen, die idiomatische Schreibweise kommt durch Spielwitz und feinsinniger Phrasierung bestens zum Tragen. Die Differenzierung zeigt sich nicht nur in kleinen dynamischen Abstufungen, sondern auch in mikroskopischen agogischen Freiheiten, die nichts mit Manieriertheit zu tun haben, sondern mit beseeltem, feurigem Musizieren. Da gelingen Allegri in ihrer Spritzigkeit genauso wie affektvolle Largi ohne Sentimentalität, in denen kontrapunktische Finessen in langen Überbindungen und kurzen Auflösungen klanglich ausgekostet werden. Bei all dem spielt die ‘Begleitung’ alles andere als eine untergeordnete Rolle. Die etwas spröden Geigenklänge, die ungemein vielschichtige Lautenbegleitung und die in jeder Hinsicht perfekte Gestaltung des Cembalo-Parts, ergeben mit der konzertierenden Flöte nicht eine Summe von Einzelteilen, sondern ein durchsichtiges, reich ausgestaltetes Ganzes.
Auch in Bezug auf die klangliche Realisierung genügt diese Aufnahme höchsten Ansprüchen. Optimale Balance zwischen Flöte und Ensemble, exzellente Ausgewogenheit innerhalb des Ensembles und eine unglaubliche klangliche Transparenz machen diese CD zu einem wahren Ereignis (wie auch andere Aufnahmen des Schweizer Labels DIVOX).
Aus der Grauzone der Vorurteile hervorgeholt
Nach dem Genuss dieser Produktion kann man einmal mehr dem Diktum Strawinskys, Vivaldi habe ein und das selbe Konzert 300 mal geschrieben, einen Gegenbeweis anführen. Denn gerade in den hier herausgearbeiteten Kleinigkeiten zeigt sich eine ungewöhnliche Fülle an Detailreichtum.
Man kann jedem Leser nur raten, diese CD zu kaufen. Denn hier hat man es mit einer Produktion aus einem Guss zu tun. Sowohl der fabelhaft durchsichtige Klang, als auch der immense Spielwitz und die pure Freude am Musizieren lassen diese ‘Tag und Nacht’ überschriebene Aufnahme zu einem Fest für die Sinne werden. (Tobias Pfleger in: Toccata)
Peter Bichsel zur Solo-CD „Echo“
Auf der Suche nach dem Ton, auf der Suche nach der verlorenen Melodie, nach der verlorenen Zeit.
Das Suchen nach der verlorenen Melodie – seine griechischen Aulosflöten, die Paul J. Reichlin rekonstruiert — hat mit Historik, mit Musikgeschichte nur äusserlich zu tun. Er macht die vorstellbare Musik der Griechen gegenwärtig. Seine Töne sind ein kategorisches Jetzt. Erst in der Erinnerung, Minuten oder Stunden nach dem Hören werden sie zur Erinnerung. Zur Erinnerung an eine Vorstellung von Griechenland.
Beim Hören aber haben seine Töne eine präzise Präsenz – das ist der Ton, den ich exakt jetzt höre. Das scheint zwar selbstverständlich zu sein, eine banale Feststellung. Aber Conrad Steinmann macht es mir bewusst. Musik ist das Jetzt – jetzt, exakt jetzt findet sie statt.
Zur CD “Symposion” mit dem Ensemble Melpomen
In die gleiche Richtung zielte am Sonntag in der Augustinerkirche auch Conrad Steinmann mit seinem Ensemble Melpomen: Seit 15 Jahren erforscht der Blockflötist die griechische Musik aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. einer Zeit, aus der keinerlei musikalische Fragmente erhalten sind. So geht Steinmann, zusammen mit dem Instrumentenbauer Paul j. Reichlin, vor allem von den bildlichen Darstellungen von Instrumenten aus; aus dem Tonvorrat der rekonstruierten Instrumente und mit Bezügen zu den Rhythmen griechischer Lyrik komponiert er sozusagen antike Stücke neu. Verhaucht oder flötenartig, manchmal auch dudelsackmüssig klingen seine Auloi (Doppelblasinstrumente), und sie entwickeln zusammen mit den Stimmen von Arianna Savall Figueras und Luiz Alves da Silva, mit Perkussion und dem fragil wirkenden Zupfinstrument Barbitos eine ganz eigene, höchst lebendige Archaik Ob es in Griechenland im 5. vorchristlichen Jahrhundert tatsächlich so geklungen hat, weiss niemand; aber bei der Leidenschaft, mit der Steinmann seine Forschungen in Klang umsetzt, spielt das auch gar keine Rolle. (Susanne Kübler, Tages-Anzeiger)
Frans Brüggen, zur neu imaginierten Musik der griechischen Antike:
Welche Meisterschaft: grossartig, wie Conrad Steinmann an der italienischen Renaissance vorbeigeht und gleich ins dunkle Vorbild stürzt, ich bewundere es und ich bewundere ihn.
Die fremdesten Geräusche und Klänge, die ich je gehört habe. Als ob es keine Welt gäbe: ich danke seinem grossen Geist.
Stimmen zum Buch: Drei Flöten für Peter Bichsel
Conrad Steinmann, Drei Flöten für Peter Bichsel,
oder vom Zauber der Blockflöte,
25 Geschichten zu Musik, Komponisten, Blockflöteninstrumenten,
Verlag Rüffer und Rub, 2016
Frans Brüggen:
Deine Laudatio für tote und wiederlebende geschützte Tiere ist ebenso gewaltig wie zart. Du bist ein grosser Dichterträumer.
Peter Bichsel:
Grossartig!
Lucien Leitess, Verlagsleiter des Union-Verlags:
Ich habe Deine Geschichten mit Faszination gelesen. So viel Leidenschaft, Geheimnisse, Freundschaften, große Momente. Eine für mich neue Zauberwelt, und erst noch weltweit & welthaltig.
Werner Rutishauser, Kurator am Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen:
Eine herrliche Mischung aus leisem Schalk und handfester Information, wunderbar.
Daniel Fueter, Musiker und ehemaliger Direktor der Musikhochschule Zürich:
In Deinem Buch bin ich staunend und bereichert weit fortgeschritten und gratuliere Dir von Herzen. Es ist ein unglaublich farbiges, einzigartiges und wunderbar stimmiges Mosaik entstanden! Herzliche Gratulation.